Wieviele Inseln haben wir nun schon nach unserer Atlantiküberquerung besucht … 10, …12? Ich weiß es nicht genau. Jedes Eiland hat uns auf seine eigene Art verzaubert, die karibischen Sandbuchten mit ihren Palmenstränden, dem kristallklarem Wasser und die Herzlichkeit der Menschen waren allen gemein. Mit St. Lucia, der nächsten Inseln auf unserm Weg nach Norden, laufen wir nun jedoch eine Insel an, die wie keine andere in den kleinen Antillen über ein so bestimmendes Alleinstellungsmerkmal verfügt – die Pitons. Unzählige Reiseveranstalter, Charterunternehmen, Revierführer und Reiseblogs zieren ihre Seiten mit den markanten Zwillingsbergen an der Ostküste St. Lucias. 740 m bzw. 770 m ragen die steilen Vulkankegel aus dem Meer, dazwischen läuft der Atlantik in sanften Sandstränden zum Land hin aus. Verständlich also, dass diese Insel zum Sehnsuchtsort und Traumziel vieler Karibikreisender gehört.
Gegen Mittag holen wir den Anker in der Bucht von Chateaubelair auf und setzen die Segel mit Kurs auf St. Lucia. Der Schlag von 35 sm ist zwar bis Einbruch der Dunkelheit hoch am Wind kaum zu schaffen aber in der Soufrier-Bay zu Füßen der Pitons ist das eigenständige Ankern so wie so nicht erlaubt. Eine Vielzahl von Mooringtonnen wurden daher im Marine-Park gesetzt, um die empfindliche Unterwasserwelt zu schützen. Würden wir selbst Ankern, wäre uns das bei Dunkelheit zu heikel, aber eine Boje läßt sich auch Nachts ganz gut anlaufen, zumal auch in Soufrier die Boot-Boys nicht weit sein werden. Entgegen unserem ersten Versuch vier Tage zuvor, den wir Wind- und Wellenbedingt abbrechen mussten, scheint Neptun heute ein Einsehen zu haben. Mit perfektem Wind und moderater Welle wird die Überfahrt seit langem ein richtig schöner Segeltag. Die Pitons sieht man schon von St. Vincent aus und so ist es verlockend, direkt darauf zuzusteuern. Jedoch beschert uns auch hier die atlantische Dünung zwischen den Inseln eine recht beachtliche Abdrift von 15 – 20°, wodurch wir so hoch es geht an den Wind fahren müssen. Selenes Bug zeigt während der gesamten Fahrt in Richtung Ostküste St. Lucias und es sieht so aus als würden wir auf der Luvseite vorbeifahren. Wir schaffen es in einem Schlag ohne Aufkreuzen an die Südspitze St. Lucias, die letzten Sonnenstrahlen erleuchten die majestätischen Pitons in einem warmen weichen Licht.
Die letzten 2 Meilen in die proppe-volle Bucht der Inselhauptstadt Soufrier geht’s dann mit Maschine, neben uns ragen die hohen dunklen Wände der Kegelberge steil in den Nachthimmel. Das Mooringfeld scheint komplett belegt zu sein und so kurven wir zwischen den unzähligen Yachten Richtung Strand als auch schon das erste kleine Schlauchboot direkt auf uns zugeprescht kommt. Im Doyle-Guide war zu lesen, dass man sich nur von den Rangern des Marine-Parks zur Tonne bringen lassen soll, da es zwischen den offiziellen auch einige inoffizielle Bojen mit schlechtem Halt geben soll. Zudem sind nur die Mitarbeiter berechtigt, das „snorkling-fee“ (Schnorchelgebühr) zu erheben und sie stellen dazu eine Rechnung über die Nutzung der Mooringtonne aus. Nun gut, es ist ca. 21:00 Uhr, Samstag und noch dazu ist heute Nationalfeiertag, da wird wohl auch im Marinepark jetzt keiner mehr arbeiten. Wir folgen dem Youngster ca. 30 m zu einer freien Tonne sehr dicht am Ufer. Auf die Frage, ob dies eine offizielle Tonne sein, verneint er und sagt uns, sie würde einem Fischer gehören … 50 EC pro Nacht. Uff, fette Preise, einen Tipp möchte er natürlich auch. Wir überlegen kurz und beschließen, die eine Nacht hier zu bleiben und uns morgen früh eine offizielle Tonne etwas näher an den Pitons zu suchen. Elaiha, so sein Name, versichert uns, es wäre kein Problem und es würde heute Nacht auch niemand kommen, der die Boje benötigt. Nach unseren guten Erfahrungen mit den Einheimischen in Chateaubelair glauben wir ihm das, warum soll er uns täuschen, schließlich sprudeln gleich noch weitere Angebote aus ihm heraus: Ob wir auf die Pitons möchten, einen Guide brauchen, oder zu den Wasserfällen, oder ob er unseren Müll entsorgen soll … die üblichen Angebote. Wir lehnen erst mal dankend ab, morgen wird er wieder kommen und uns nach unseren Plänen für den Tag fragen.
Wie dicht wir an Land liegen haben wir in der Nacht gar nicht erkannt. Jetzt am Morgen merken wir es aber recht deutlich, als das Städtchen gegen 7:00 Uhr zum Leben erwacht. Fischerboote und PS-starke Dinghys starten im Minutentakt, kurven kreuz und quer durch´s Ankerfeld, laden Menschen, Dinge, Fische ein- und aus. Anfangs etwas genervt, so früh aus dem Schlaf geschaukelt zu werden, sind wir dann doch gar nicht böse darum, den Tag so früh zu beginnen, schließlich haben wir einiges zeitnah zu erledigen: Zum Einen das bekannte Einreise- und Zoll-Prozedere, zum Anderen wollen wir einen schönen Ankerplatz finden, bevor die nun am Vormittag freiwerdenden Mooringtonnen zum Mittag alle wieder belegt sind. Martin als Skipper muss wohl oder übel die Formalitäten erledigen, während ich mich an Bord um die Verarbeitung der gefühlten „Tonnen“ Obst aus Chateaubelair widme. Nach reichlich einer Stunde ist er zurück und leicht gereizt. Kaum an Land sei es eine Art Spießrutenlauf vom Anleger in die Stadt da nahezu jeder Einheimische geführte Touren oder Taxifahrten zu den Pitons, zum Tete Paul, zu den Wasserfällen oder wo auch immer hin verkaufen möchte. Nicht selten wird auch direkt um Geld gebeten. Die Angebote der „Tourguides“ variieren dabei im Preis, das Einstiegsgebot für 4 Stunden Hiking auf einen der Pitons liegt in der Regel bei 250 US$ – Holla!
Egal, wir parken erstmal um. Elaiha war schon heute morgen da und fragte, ob er uns vielleicht auf einen der Berge bringen soll, 200 US$ würde uns das kosten … nein danke, wir überlegen uns das in Ruhe, schließlich wollen wir ein paar Tage bleiben. Er ist gerade mit einem anderen Kunden von Land weggefahren und wir wollen den Augenblick nutzen, um uns ungestört nach einer offiziellen Mooringtonne umzusehen. Aber scheinbar haben die „Boat-Boys“ hier ein eingebautes Yachtradar, jedenfalls fühle ich mich wie in der Geschichte vom Hasen und dem Igel. Denn kaum haben wir unsere Leine losgeworfen und eine Tonne weiter draußen angesteuert, düst er mit aller Geschwindigkeit die sein kleiner Außenbordmotor hergibt an uns vorbei und wartet an einer Boje. Nee, danke, gebe ich ihm zu verstehen, wir wollen weiter raus zu einer anderen. Na gut, dann eben eine andere. Wir haben keine Chance, dieses wirklich einfache und unkomplizierte Manöver ohne ihn zu fahren, mit seinem Schlauchboot steht er direkt zwischen unserem Boot und der Tonne bereitwillig zu helfen. Also gut, dann gebe ich ihm die Leine, die er durch den Ring fädelt, mir zurück gibt und dann auf seinen Tipp wartet. Immerhin ist es diesmal eine offizielle Tonne, die Gebühr dafür werden die Parkranger später kassieren. Und die Lage ist traumhaft schön! Direkt vor uns erhebt sich der Petit Piton 2.400 ft aus dem Meer.
Je mehr wir den eindrucksvollen Berg bestaunen um so größer wird der Wunsch, diesen tatsächlich zu besteigen. Die Recherche im Netz ist allerdings wie gehabt unmöglich, denn wir haben hier draußen keinen Zugriff auf irgendein offenes WiFi-Netz. Also bleibt nur der Weg nach Soufriere zum Tourist-Office. Ich bin ganz froh, ein Ziel zu haben und lasse mich von Martin am nächstmöglichen Strand, dem Malgretoute Beach, absetzen. Von hier verläuft ein schöner Fußweg oberhalb der Küste ca. 1.5 km in die Stadtmitte. Am Strand fallen mir gleich große Bauzäune auf, ein riesiges abgesperrtes Areal, welches bis an den Strand reicht. Umfangreiche Erdarbeiten, teilweise Rodungen und abgerissenen Häuser. Später erfahre ich, dass ein Hotelkonsortium einen Großteil der Bucht gekauft hat um ein schickes Ressort zu errichten. Bevor dieses final umgesetzt werden konnte, hat die Regionalverwaltung den Bau stoppen lassen. Den hier wohnhaften Einheimischen wurden die Grundstücke zwar recht großzügig abgekauft, jedoch war im Projekt vorgesehen, fast die gesamte Bucht zur „Privat Property“ zu erklären. Ein freier Landzugang vom Meer und die Begehung des Strandes wie momentan noch würde sich dadurch erledigen … Auf meine kurzen Spaziergang verstärkt sich immer mehr der Eindruck, dass auf St. Lucia die Teilung in „Oben“ und „Unten“ bzw. reiche Oberschicht (Zugezogene/Besucher) und weniger reiche/arme Unterschicht (Einheimische) sehr ausgeprägt ist. Auf den Filetstücken über der Küste, abgeschieden von Einheimischen und „normalen“ Touristen verstecken sich hinter hohen Zäunen und üppigen Grün exklusive Hotelanlagen oder Privatvillen. Mit freiem Blick auf die Soufrier-Bucht und die Pitons, kann man wunderbar auf den Ort herunter schauen, ohne groß mit der einheimischen Bevölkerung in Kontakt treten zu müssen. Dass besonders die Küstenabschnitte rund um die Pitons ein Spielplatz der Schönen und Reichen sein muss, lässt schon die Anzahl und Größe der vor Anker liegenden Superyachten erahnen.
Egal, dieser Materialschlacht aus Infinite-Pool über zwei Decks, schwenkbarer Außenkamin oder Hubschrauberlandeplatz kann ich nichts abgewinnen. Das Städtchen Soufriere zieht mich da wesentlich mehr in seinen Bann: Karibisch bunt, chaotisch, laut, viel Musik, viele Menschen auf den Straßen, Geplauder zwischen Nachbar. Mann trifft sich auf den Straßen, unter Palmen oder in einer der provisorischen Rum-Bars. Die Menschen sind freundlich, neugierig und ja, auch geschäftstüchtig. An die übliche Frage nach dem Befinden schließt sich direkt ein Angebot für die Führung und Besteigung der Pitons an … was würde man eigentlich machen, wenn es die Pitons nicht gäbe oder plötzlich nicht mehr bestiegen werden dürften? Die Zwillingsberge spielen auf St. Lucia eine so gewichtige Rolle, dass selbst das einheimische Bier danach benannt ist.
Trotz anders lautender Informationen aus dem Doyle-Guide, finde ich keine Tourist-Information in Soufriere. Auch im Büro der SMMA (Soufrier Marine Management Area) ist kein Kartenmaterial über St. Lucia vorrätig. Schade. Ich verstehe zwar, dass man einerseits die lokale Tourismuswirtschaft stärken will und hierbei besonders die geführten Touren an Besucher verkaufen möchte. Andererseits bietet Soufrier in seiner näheren Umgebung viele lohnenswerte Ziele, die über einfache und kurze Wanderwege zu Fuß bzw. mit einer kurzen Anfahrt per Bus zu erreichen sind und einen Tourguide nicht wirklich voraussetzen. Bei meinem Streifzug durch die Stadt treffe ich Martin, der eigentlich nur unseren Müll wegbringen wollte und Bargeld für die Bezahlung an die Marine-Ranger besorgen wollte. An seinem Gesichtsausdruck ist deutlich abzulesen, dass er einigermaßen genervt ist von den unzähligen extrem überteuerten und unseriösen Angeboten bzw. der erheblichen Bettelei am Dinghy-Steg. Da hilft wohl nur die bewährte Taktik: In eine Bar gehen, wo viele Lokals sitzen, abwarten, ins Gespräch kommen und sehen, was sich ergibt. Eine Bar ist schnell gefunden, direkt am zentralen Anleger wo sowohl Ausflugsboote, Wassertaxis, Charteryachten und Beiboote anlegen setzen wir uns in die Abendsonne und schauen dem Gewusel am Steg zu. Gegenüber befindet sich das SMMA-Büro, wo ich mich nochmals nach Touren und seriösen Anbietern erkundige. Peter, Chef der Marine-Park-Ranger, lacht ein wenig verlegen, als ich ihn nach angemessenen Preisen frage und ihm von unseren Angeboten erzähle. Je nach Länge der Tour und Personenanzahl sollen wir keinesfalls mehr als 200 EC (also 70 US$) z.B. für eine Tour auf den Petit Piton bezahlen – gut zu wissen. An der Bar hat inzwischen Didier gegenüber Platz genommen und man fängt an zu Plaudern. So ein Zufall aber auch: Didier ist Taxifahrer und Tourveranstalter. Er gibt uns seine Karte, nur für den Fall, dass wir ein Taxi bräuchten oder einen Tourguide, alles ganz unaufdringlich, die Preis scheinen auch fair zu sein. Den Petit Piton haben wir uns nun endgültig zur Besteigung auf die Fahnen geschrieben, nur wollen wir den „Hügel“ gerne ohne Bergführer bezwingen, die Frage ist nur, wie gut wird der Aufstieg erkennbar sein?
Doch bevor wir zum Gipfelsturm ansetzen können, müssen wir unbedingt unsere Segelanlage wieder in Gang bringen und ich befürchte schon das Schlimmste. Nachdem Martin unser Dinghy samt Außenborder über das Großfall an der Bordwand nach oben gezogen hat um es gegen Diebstahl zu schützen, bewegt sich das Fall keinen Millimeter mehr, es geht nicht hoch und nicht mehr runter. Die Dirk, die daneben läuft, lässt sich auch nur noch unter größter Anstrengung und Fluchen ein paar Zentimeter ziehen. Was ist da los? Rolle gebrochen, verklemmt, irgendwas am Mastkopf? Wenn dem so wäre, muss vielleicht der ganze Mast gelegt werden und das geht nur in einer Marina bzw. Werft. Hoffentlich ist am Mast selbst nichts kaputt, denn das würde empfindlich teuer werden. Bei leicht böigem Wind aber sehr kabbeliger See will Martin sich ein Bild des Problems oben am Mast machen. So richtig Wohl ist uns dabei nicht, denn es steht nur noch ein Fall, das Spifall, zum Nach-Oben-Kommen zu Verfügung, die Falle, die wir sonst zum Sichern verwenden hängen alle fest! Nicht schön, aber diesmal muss es auch so gehen. Mir fällt da noch eine Sicherungsmaßnahme aus dem Klettern ein: Mit einer Brusigschlinge an der festklemmenden Dirk könnte ein Absturz verhindert werden. Gesagt, getan, los geht es. Während sich Martin Meter für Meter noch oben zieht und dabei die rollenden Wellen im Blick behält, versuche ich die vielen Wassertaxis und Dinghys auf den Mann da oben im Mast aufmerksam zu machen, in der Hoffnung, dass sie dann die Geschwindigkeit reduzieren. Martin baumelt derweil von einer Want zur anderen, wenn zwei drei größere Wellen unter Selene durchrollen. Der Pendelausschlag in 15 m Höhe ist schon ziemlich deutlich, auf Deck oder im Schiff nehmen wir das Schaukeln schon lange gar nicht mehr wahr. Aber alles geht gut, das Großfall ist bei der seitlichen Zugbelastung von der Rolle gesprungen und hat sich dabei zwischen Führungsblech und Rolle verklemmt. Dabei wurde das Blech zusätzlich verbogen und drückt nun auf die Dirk. Mit ein wenig Fummelei bekommen wir das Groß in seine ursprüngliche Position und nachdem Martin das Blech zurück gedengelt hat, läuft auch die Dirk wieder Problemlos – nochmal Glück gehabt!
Die ganze Aktion hat wie immer länger gedauert als gedacht und so bleibt heute nicht mehr viel Zeit für einen ausgiebigen Landausflug. Aber für eine Spritztuor mit dem Dinghy in die benachbarte Sugar-Bay zwischen den Pitons reicht die Zeit alle Mal. Ausgerüstet mit Schnorchel, Flossen und Taucherbrillen sowie zwei kühlen „Pitons“ umkreiseln wir den kleineren Vulkanberg. Von der Seeseite sieht es nach einem wirklich anstrengenden zuweilen unmöglichen Aufstieg aus. Nirgends ist eine Art Pfad oder Klettersteig zu erkennen. Anscheinend führt der Weg direkt und damit fast senkrecht an der Nordflanke nach oben – immerhin im Schatten. Am Fuß des Pitons befinden sich mehrere ausgewiesenen Tauch- und Schnorchelspots zwischen den vielen Steinen und vorgelagerten Felsplateaus. Mit dem Schlauchboot finden wir ein geschütztes Plätzchen relativ dicht an Land und machen unser Dinghy fest. Wie tief es hier ist, lässt sich schwer schätzen aber das Wasser ist kristallklar, Schwärme von bunten Fischen, Krebse, Korallen liegen unter uns … ein herrliches, ruhiges, unberührtes Fleckchen Erde an dem von der sonstigen Kommerzialisierung der unter UNESCO-Weltnaturerbe stehenden Pitons wenig zu spüren ist. Wobei, so ganz stimmt das auch nicht. Die Bucht selbst trägt nicht ohne Grund den Namen Sugar Beach, denn der feine weiße Sand schimmert wie Puderzucker. Wie Spielzeug wirken die wenigen vor Anker liegenden Segelschiffe neben der Megayacht, die vis-à-vis des exklusiven Sugar-Beach-Resor gülden in der Sonne glänzt.
Die spärlichen Informationen, die wir bisher zu den Pitons gefunden haben, überzeugen uns noch nicht so richtig, auf eigene Faust loszuziehen. Wir finden viele Berichte und tolle Bilder zu den Wanderungen, jedoch ist es entweder der relativ leichte Aufstieg zum Grand Piton der trotzdem nur mit Führung erlaubt ist oder auf den Petit Piton ebenfalls mit Tourguide. Die wenigen Berichte vom Alleingang sparen zudem erheblich an Informationen, nur dass es durchaus mit ein wenig Erfahrung im Bergsteigen keine große Hürde ist. Vielleicht können wir im Tet Paul Nationalpark noch etwas mehr erfahren, denn das Naturreservat liegt direkt zwischen den beiden Gipfeln und bietet zudem eine herrliche Aussicht über die Bucht. Von Soufrier aus ist es nur eine 10 minütige Autofahrt gen Süden, sollte mit dem Taxi nicht die Welt kosten. Allerdings ist es schier unmöglich am Dinghy-Anleger einen Taxifahrer zu finden, der daraus nicht eine komplette Tagestour machen möchte. Didier ist leider nicht zu erreichen und uns wird statt dessen ein junger Fahrer empfohlen, der uns für 200 EC zum Tet Paul bringen will – what!?! Ich sage ihm, dass ich nicht sein Taxi kaufen möchte sondern nur die 5 km bis zum Eingang des Nationalparks gebracht werden will. So richtig versteht er das nicht, schließlich würde er da auf uns warten und uns dann zurück bringen. Wir geben ihm zu verstehen, dass wir wirklich nur ne einfache Fahrt brauchen und uns dann dort nach einem anderen Taxi umschauen oder mit dem öffentlichen Bus zurück fahren. Wir einigen uns auf 100 EC, was immer noch unverschämt viel Geld ist, wie uns Didier später bestätigt…
Aber der Nationalpark entschädigt dafür um so mehr. Zuvor muss man am Eingang eine Art Verzichtserklärung unterschreiben, wenn man den gut ausgebauten breiten Spazierweg ohne Parkranger gehen möchte, verrückt. Die Aussicht hier oben ist fantastisch, nicht nur die beiden Pitons kann man in ihrer ganzen Größe bestaunen. Der Blick reicht bis nach Vieux Fort an der Südspitze und weit über die Berge im Landesinneren. Aber auch von hier aus lässt sich kein Weg oder Pfad am Petit Piton erkenne, selbst der weniger dicht bewachsene Gipfel will nichts preisgeben.
Nach einer reichlichen Stunde auf dem ca. 2 km langen Rundweg geht’s erstmal zu Fuß zurück zur Hauptstraße. Dort, so hat man uns empfohlen, könnten wir jederzeit ein Taxi anhalten oder mit dem Bus zurück nach Soufrier fahren. Wir haben nur leider nicht die Uhrzeit beachtet. Es ist ca. 14:00 Uhr und nahezu jedes Sammeltaxi ist vollbesetzt mit Schulkindern, dementsprechend hält auch kein Kleinbus an. Na gut, dann laufen wir halt. Nach etwa der Hälfte der Strecke stoppt dann plötzlich ein offizielles Taxi neben uns, ob wir einsteigen möchten. Ja klar, was kostet es denn bis Soufrier? 10 EC. Oh, prima, auf geht’s. Zurück in der Innenstadt suchen wir uns mal wieder ne Bar, diesmal aber eine mit free WiFi, denn wir wollen doch nochmal nach einer Art Aufstiegs- oder Wegbeschreibung suchen. Wir sitzen noch gar nicht lange und plaudern gerade recht angeregt mit der hochschwangeren Bardame, als plötzlich Didier neben uns steht. Er entschuldigt sich, dass wir ihn heute Mittag nicht erreicht haben und fragt, ob wir seine Dienste denn noch bräuchten. Ja, wir möchten morgen früh auf den Piton, spätestens 7:00 Uhr wollen wir mit dem Aufsteig beginnen. Er bietet uns zum Fahrpreis noch einen Guide an und Martin ist zunächst etwas skeptisch. 150 EC (50€) würde das kosten. Es gesellt sich noch ein weiterer Gast an die Bar und ich habe das Gefühl, ihn irgendwie zu kennen. Er stellt sich als Malcom vor und mir fällts wie Schuppen von den Augen. Malcom ist einer von 4 privaten Wanderführern, die im Doyle-Guide als zuverlässige Führer mit fairen Preisen beschrieben sind. Nicht er persönlich würde uns morgen begleiten sondern sein Sohn. O.K., abgemacht, dann mit Guide, morgen früh 6:30 Uhr am Steg.
Oh Gott, ist das früh! Und das im Urlaub! 5:00 ist die Nacht vorbei, wortlos zwei Tassen Kaffee und ein Müsli ohne Hunger lassen bei mir die Vorfreude auf den Gipfel nur langsam erwachen … der frühe Vogel kann mich mal. Wenn ich jedoch an die Temperaturen gegen 10:00 Uhr denke, werden wir wohl froh sein, in 4 Stunden den Aufstieg schon hinter uns zu haben. Didier ist unerwartet pünktlich. Als wir am Anleger das Dinghy festmachen, wartet er bereits nur sieht er nicht viel wacher aus als wir. Wir müssen uns trotzdem noch ein paar Minuten gedulden, sein Fahrer holt noch unseren Guide ab, der es wohl verschlafen hat. Auf der kurzen Taxifahrt zum Fuß des Pitons verdrückt Martin (unser Guide) noch schnell ’nen Cofé to Go und ein Stückchen Kuchen, viel Reden mag er noch nicht – na gut, ist ja auch noch mitten in der Nacht. An der Straße zwischen Malgretout und Sugar Beach weist ein kleines Schild nach rechts zum Petit Piton. Der Zugang befindet sich auf privatem Grund und so muss auch hier ein geringes Entgelt von 25 EC für zwei Personen an der kleinen Holzhütte entrichtet werden. 7:00 Uhr stehen wir dann am Fuß des Berges und ich überlege noch kurz, ob das eine gute Idee war. Während wir uns seelisch und moralisch auf die härteste, gefährlichste und überhaupt anstrengendste Tour von ganz St. Lucia (O-Ton einiger Tourenanbieter) vorbereiten, zieht unser Guide seine FlipFlops aus. Wir ebenfalls, allerdings tauschen wir unser Schuhwerk gegen feste Sohlen und Guide-Martin macht sich barfuß auf den Weg. Um es gleich vorweg zu nehmen, nach gerade einmal 50 m kommt die einzige Stelle, an der uns unser Guide tatsächlich nützlich war. Vom breit ausgetretenen Pfad, der kurz darauf irgendwo im nirgendwo endet, führt ein kaum erkennbarer Abzweig gut geschützt zwischen Bäumen und Sträuchern auf den danach gut sichtbaren Trail. Die ersten 300 Höhenmeter windet sich der Pfad in endlosen Schleifen über über Stock und Stein, größere Felsblöcke, Wurzeln und dichtes Astwerk verhindern zwar ein gleichmäßiges Gehen aber dafür ist es abwechslungsreich und man kommt je nach Kondition recht schnell voran. Unser Guide kennt hier jeden Stein und jeden Baum, noch dazu ist er gerade mal 17 Jahre und begeht den Piton an 5 von 7 Tagen, er legt ein unglaubliches Tempo vor. Wir merken jedoch schnell, dass das Leben auf Meereshöhe mit wenig Bewegung (und ja, zu viel Rauchen) unserer Kondition absolut nicht zuträglich ist. Nach 20 Minuten tropft uns der Schweiß aus jeder Pore, das Shirt, die Hosen, die Socken, der Rucksack – alles ist triefnass. Guide-Martin ist davon sichtlich unbeeindruckt und setzt seinen „Hight-Speed-Trainings-Lauf“ unbeirrt fort. Anfangs kann Martin noch ganz gut mit ihm mithalten, aber bald schon zieht sich unserer kleine Gruppe weit auseinander. Sobald ich nach Luft japsend zu den beiden Herren aufschließe, setzt unser Guide sofort zum Weiterlaufen an. Na Danke! … (einatmen)…. darf … (ausatmen)…. Ich …. (einatmen) …. bitte … (ausatmen) …. erstmal … (einatmen) …. einen … (ausatmen) …. Schluck … (einatmen) … trinken ….
Solange der Weg auf diesem Niveau weiter geht, habe ich gar kein Problem, mein eigenes Tempo zu gehen, gefährlich ist es nicht und noch dazu bieten sich immer wieder wunderbare Ausblicke auf die immer kleiner werdenden Schiffe in der Bucht. Für unseren „Fööhrer“ ist das sicher nichts besonderes mehr, aber ich möchte den Aufstieg schon gerne mit allen Sinnen genießen und nicht von einem Stein zum nächsten hetzen. Ab der Hälfte des Aufstiegs wird es dann aber doch ganz interessant und der Pfad wandelt sich mehr zu einer Art Klettersteig. Eigene Ausrüstung ist hierfür nicht notwendig, aber man sollte den Fixseilen doch Vertrauen entgegen bringen. An vielen Stellen dienen sie nur als zusätzlicher Halt denn die Felsen und Wurzel bieten meist die besseren Griffe um nach oben zu steigen. Etwas Erfahrung im Bergsteigen bzw. Klettern sind auf jeden Fall von Vorteil, noch dazu hat man es als großer Mensch an vielen Stellen leichter. Spätestens an diesen Passagen bin ich von unserem Bergführer echt enttäuscht! Für mich als „Sitzmeter“ ist es stellenweise nicht gleich zu erkennen, wo die weitere Route verläuft und damit zu entscheiden, wohin ich greife bzw. steige. Während Guide Martin pfeifend durch den Wald rennt wartet Skipper-Martin an den kniffligen Stellen um mir von Oben Hilfestellung zu geben. Wenn man es es solche bezeichnen will, gibt es zwei Schlüsselstellen im oberen Abschnitt, die für Ungeübte oder Menschen mit enormer Höhenangst zum Problem werden können. An diesen beiden Stellen war Guide Martin dann auch so nett, auf uns beide zu warten.
Die erste Stelle ist eine Art Kamin von vielleicht 4 m Länge, jedoch nicht senkrecht sondern leicht liegend. Ein Fixseil hängt in der Mitte des Kamins. Leute mit langen Beinen können sich ganz gut am Fixseil nach oben ziehen und mit den Füßen im Halb-Spagat auf den Außenkanten nach oben gehen. Kleine Leute wie ich, würden da wahrscheinlich einfach durchfallen oder gar nicht beide Beine auf den Rand bekommen. Also bleibt nur weit in den Kamin zu kriechen und sich auf die alte (unschöne) Variante nach oben zu schubbern. Die zweite Stelle folgt im Anschluss und wird Rabbit Hole (Hasenloch) genannt. Rechts von zwei großen übereinanderliegenden Felsblöcken, führt ein Fixseil über eine ca. 3m lange Reibung, der Einstieg ist für große Leute machbar. Kleine Personen können durch einen schmalen Spalt zwischen den Felsen hindurch auf einen Absatz kriechen und an der Reibung vorbei zum nächsten Block klettern – kleiner Tipp, ohne Rucksack geht es leichter (Die interssanten Stellen haben wir im Video mal im Abstieg dokumentiert). Der Rest der Strecke ist dann mehr oder weniger geschenkt. Es folgen noch einige Passagen mit Fixseilen, die die Strecke wirklich schön und abwechslungsreich machen. Und dann – ja was soll ich sagen – der Ausblick ist der Hammer!
Die ersten paar Minuten kann ich es gar nicht richtig genießen, weil ich wie nie nach Luft schnappe. Der Grand Piton sieht von hier gar nicht so viel größer aus, dazwischen strahlt der puderweise Sugar Beach. Selene ist nur als kleiner Punkt im Ankerfeld zu erkennen und weiter hinten leuchtet bunt Soufriere. Leider, leider ziehen nach wenigen Minuten dicke Wolken von Osten heran und bringen erste schwere Regentropfen. Unser Guide steht derweil auf einem kleinen Felsvorsprung und singt aus Leibeskräften zu Musik, die aus seinem Handy quäkt. Nach 10 Minuten am Gipfel mahnt er uns zum Abstieg. Schade, aber ich verstehe schon, dass das bei Regen recht rutschig und ungemütlich werden kann. Er hüpft behände von Stein zu Stein, schwingt sich einhändig an den Fixseilen wie Tarzan nach unten, in der anderen Hand plärrt das Handy und nach wenigen Minuten ist von ihm nichts mehr zu sehen. Aber er singt noch immer lautstark und so können wir ungefähr erahnen, wieviel Höhenmeter Abstand er ungefähr inzwischen hat.
Auf dem Abstieg wollen wir uns aber nun nicht mehr hetzen lassen, zumal im dichten Urwald vom Regen nichts zu spüren ist. Wir genießen die Ausblicke und lassen uns Zeit, die eine oder andere Passage für den Blog zu filmen. Dreimal sehen wir unseren Guide noch auf dem Weg nach unten. Er wartet dann doch kurz, als uns drei Gruppen auf ihrem Weg nach oben entgegen kommen und er sich mit den anderen Tourguides unterhält. Dann verschwindet er wieder im Gebüsch, laut singend. Vielleicht hätte er doch besser Musiker als Bergführer werden sollen. 11:30 Uhr sind wir wieder auf Level 0 und unsere Füße qualmen! Krass – um diese Zeit starten wir manchmal erst in den Tag, heute haben wir bereits den Petit Piton in der Tasche! Trotz der Anstrengung ist der „Kleine“ Vulkankegel jeden Meter Aufstieg wert, besonders da wir den Gipfel so früh am Morgen für uns alleine hatten. Wer den Petit Piton besteigen möchte, sollte dies so früh wie möglich und getrost ohne Führer tun, es sei denn man möchte singend begleitet werden, dann kann ich Martin empfehlen 😉
Wir ahnen schon, dass uns der Berg noch mächtig in die Beine fahren wird, daher lassen wir uns von Malcom im Anschluss zu den Sulphur-Springs ganz in der Nähe bringen. Im gleichnamigen Nationalpark kann man der brodelnden Gewalt der Vulkane ganz nahe kommen. Es riecht schon von weitem nach Schwefel, Rauch steigt aus Felsspalten und Ritzen. Das eigentliche Highlight sind aber die künstlich angelegten Wasserbecken, in denen 38°C warmes schwefelhaltiges Wasser mit Vulkanschlamm zum baden einlädt. Klingt erst mal nicht so erfrischend, aber wenn wir schon hier sind, sollten wir unseren überstrapazierten Muskeln die Entspannungskur gönnen. Am Eingang ist die Hölle los, Scharenweise werden die Besucher aus den umliegenden Hotels mit Bussen im Halbstundentakt herangeschafft. Ein wenig grotesk mutet die die gesamte Szenerie an, als sich ohne Ankündigung ein monsunartiger Platzregen über die Insel ergießt. Die Mehrzahl der Besucher trägt schon oder noch ihre Badebekleidung, einige sind von Kopf bis Fuß mit dem mineralhaltigen Schlamm eingeschmiert, der nun in langen grauen Rinnsalen über dicke weiße Bäuche, angeröstete Rücken und stramme Waden zu Boden fließt. Die Tourveranstalter schauen gar nicht glücklich beim Blick auf die hellen Polster im Bus. Trotz der Badehosen und Bikinis suchen alle fluchtartig einen der wenigen regengeschützten Plätze … die Menschen sind schon eine sehr spezielle Spezies!
Ein Handtuch gehört ja zur Grundausstattung beim Hiken, die Badeschlüpfer haben wir heute morgen noch schnell dazu gepackt. Obwohl es nach dem Regen tatsächlich kurz etwas abkühlt, kostet der erste Schritt in die graue Vulkanbrühe doch einige Überwindung … man, man, man ist das heiß. Und wirklich lange halte ich es auch nicht darin aus. Es fühlt sich in etwa wie in der Sauna an, wo man häufig auch nur sitzen bleibt, weil alle anderen auch noch sitzen, aber so richtig genießen kann ich es nicht. Eine halbe Stunde muss reichen, um die müden Muskeln zu entspannen. Mit dem Taxi von Didier geht’s zurück in die Stadt. Nach dem mageren Frühstück muss jetzt erstmal ein ordentliches Mittagessen her. Wir versacken reichlich zwei Stunden in einem netten kleinen Restaurant etwas abseits des großen Rummels am Hauptanlegesteg aber mit schöner Aussicht auf die Bucht und den Piton. Das Aufstehen danach und die paar Schritte zum Dinghy-Dock bereiten uns die größte Anstrengung des Tages, wie zwei 80jährige schlurfen wir zum Anlegesteg, der nachträgliche Muskelkater schickt seine Vorboten schon voraus …
Wie befürchtet geht am nächsten Tag alles etwas langsamer und gemächlicher an Bord zu. Die Glieder schmerzen, meine Beine brennen, jeder Gang auf oder unter Deck wird vorher gut überlegt. Aber es ist zum Glück nur ein kurzer Schlag heute, ca. 9 Meilen entlang der Westküste zur zauberhaften Marigot Bay. Zum Abschied schieben sich leider dicke Wolken über Soufriere in die Bucht und lassen die markanten Zwillingsberge nur wie zwei dunkelgrüne Schutthalden aussehen.
Dafür strahlt die Marigot Bay in tiefem Türkis als wir Mittags ankommen und schon bei der Einfahrt in die schmale lange Bucht umweht diese traumhafte Lagune ein ganz besonderer Reiz. Eine kleiner Sandstrand mit den höchsten Palmen die ich bisher gesehen habe trennt die Bucht von der Lagune. Die Bucht diente vor vielen Jahren als Filmkulisse von Dr. Doolittle, somit darf auch eine Bar mit selbigen Namen nicht fehlen. Am Südufer befinden sich zwei „Nobel-Schröder-Ferien-Domizile“ jenseits unserer Preisklasse aber mit erschwinglicher Marina bzw. Mooringtonnen. Bei der Bezahlung und Anmeldung im Marigot Beach Marina Resort klärt man uns auf, dass wir sowohl die Duschräume, den Versorgungssteg und das Dinghy-Dock nutzen können. Wir dürfen auch in den Süßwasser-Pool, aber nur den auf der ersten Ebene! Die weiter oben gelegenen sind für die Gäste in den Suiten. Ok, Ma’am, verstanden. Es gibt sogar einen kleinen Dinghyhafen im inneren der Anlage, ein hübsche Brücke führt darüber hinweg und in der Mitte plätschert ein Springbrunnen. Je weiter man an der langen Steganlage in den hinteren Teil der Lagune läuft, um so größer werden die Yachten und auch die Steganlagen. Anfangs denke ich noch, diese Stege seien für mehrere Yachten zum Längsseits-Anlegen gemacht, aber nein, da passt dann eine Superyacht hin die so lang ist, wie 4 oder 5 normale Fahrtenyachten … kaum vorstellbar, wie sollen die in der kleinen Lagune manövrieren?
Da es noch relativ früh am Tag ist und morgen schon wieder das Wochenende vor der Tür steht, will Martin noch zur „nahegelegenen“ Rodey-Bay Marina fahren, die einen ausgezeichneten Ruf für Yachtzubehör aller Art genießt. Wir hatten ursprünglich nicht vor, dort zusätzlich mit Selene einen Stopp einzulegen, also geht es diesmal per Taxi über Land. Je öfter wir das schwere Honda-Monster am Dinghy an- und abmontieren müssen, verfestigt sich der Wunsch, nach einer leichteren Maschine. 2-Takt-Motoren dürfen in der EU nicht mehr neu verkauft werden und somit müssen wir versuchen hier noch eine zu bekommen, in Martinique werden wir sicher nicht fündig. Reichlich drei Stunden später ist Martin wieder zurück und präsentiert mir den neuen Außenborder. Er freut sich wie ein Konfirmand, der sein erstes Moped geschenkt bekommen hat und will das Maschinchen gleich ausprobieren. Also wird noch direkt am Dinghy-Steg vor dem Sterne-Hotel der Außenborder getauscht. Der neue Nissan (ex Thohatsu) 5 PS, Einzylinder-Zweitaktmotor schnurrt los wie ein Großer und Martin muss sich ganz schön am Riemen reißen, nicht Vollgas zu geben. Zum Einfahren soll man die ersten zwei drei Maschinenstunden noch etwas piano Fahren, jetzt da ich den Bericht schreibe ist dies längst geschehen und Martin dreht den Gashebel auf, so oft es geht. Der Motor ist knapp 10 Kilo leichter als die Honda-Maschine und so kommt man alleine auch sehr schnell ins Gleiten. Gut, mir treibt dieser Umstand jetzt nicht gleich die Freudentränen ins Gesicht, aber mein Skipper hat seinen Spaß – ist auch wichtig! (edit, Martin ;): Die Maschine ist super, leicht beim Anbauen, für weitere Strecken ein 12l Tank – extern, neu mit Garantie und pipapo. Nun muß ich nur noch den Honda loswerden …)
Für die nächsten zwei Tag nisten wir uns in dieser traumhaften, karibischen Idylle ein und genießen die Ruhe. Besonders Nachts ist kein Mucks zu hören, lediglich unzählige quietschende bzw. pfeifende Frösche in den umgebenden Mangroven. Kein Schwell, kein Schaukeln ist hier zu spüren – herrlich! Am Tag ziehen Pelikane gemächlich ihrer Runden und nur wenige Boote sowie zwei Fähren kreuzen im Schneckentampo durch die Lagune. Für wenige Stunden verwandelt sich das Südseeparadies allerdings doch in eine Art Party-Zone. Motorboote und Ausflugskatamarane unterschiedlicher Größe fahren meist von lauter Musik begleitet an das Ende der Bucht und kippen für eine Stunde die partywütige Fracht in der Pirat-Bar aus. Nach ein oder zwei Cocktails geht es dann noch betrunkener und noch lauter feiernd wieder zurück nach Castries, Rodney-Bay oder Soufriere. Gegen 15:00 ist der Spuk dann auch meist schon wieder vorbei und man kann die Reichen und Schönen wieder ungestört in ihrem eigenen Habitat gegenüber studieren.
Am Samstag Nachmittag schiebt sich dann eine Mega-Yacht nach der nächsten in die Bucht, die zum Wochenende proppevoll ist. Nach den Mega-Yachten kommt die Super-Mega-Yacht und der Hafenmeister, den Martin gerade wegen irgendetwas (Verkaufsanzeige für den Honda ausdrucken und Tonne bezahlen) aufsuchen wollte ist kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Die größte Yacht hat eben angelegt und der Drehstrom-Landstromanschluß (400V / 200A ! – ja wirklich!) funktioniert nicht – nein, wie peinlich. Das Landstromkabel ist so dick wie mein Unterarm und mit deren benötigter Energie könnte man 8 Einfamilienhäuser versorgen … Mist, und jetzt funktioniert die Eismaschine, die Sauna und der Humidor nicht mehr 🙁
Egal, genug gelästert. Nur muss man leider sagen, dass die gesamte Marigot Bay – so schön sie auch ist – fast ausschließlich das reiche und mega-reiche Publikum bedient, selbst im kleinen (exquisiten) Supermarkt zieht es mir fast die Schuhe aus, als ich für ne Packung Milch knapp 5 € zahlen soll. Ok, sie stand im Kühlschrank und es war Mandelmilch, normal gibt es nicht, wegen Laktoseintoleranz und so. Einzig die Pirat Bar macht einen typisch karibischen Eindruck, außerdem funktioniert deren WiFi und wir wollen den nächsten Blogbeitrag hochladen. Wir merken schnell, dass wir hier fast die einzigsten Gäste unter sehr vielen Einheimischen sind. Auf die Frage, ob es denn Spaß mache am Nachmittag die Touris von den Ausflugsboten zu bewirten, grinst uns der Barkeeper nur an und meint, sie würden gut zahlen und schnell wieder gehen. Aber diese Gäste seien ihm dennoch lieber, als das Klientel der umliegenden Hotels. Wir fühlen uns gleich wohl hier, angenehme Atmosphäre, entspanntes Personal und direkt gegenüber versinkt die Sonne hinter der kleinen palmenbestanden Halbinsel. Anscheinend hat der Betreiber seinen Umsatz für heute schon gemacht und so gehen ein Rumpunsch nach dem nächsten auf’s Haus.
Die Bar gehört wohl auch zu einer größeren Ferienanlage, die reichlich hundert Meter hinter dem Mangrovenwald liegt. Will man die Waschräume aufsuchen so muss man über einen langen Holzsteg bis zur Hotelanlage über das Sumpfgebiet gehen. Möglicherweise war es der Rumpunsch oder die aufwändige Beleuchtung, aber der Weg zwischen den Bäumen hindurch hat etwas magisches. Und uns fällt auf, dass sich am Ende des Weges gleich neben den Waschräumen ein großer Süßwasserpool zur Bespaßung der nicht vorhandenen Gäste befindet. Martin ist wohl wirklich etwas mutig geworden, aber da gerade niemand zu kommen scheint, beschließt er mal schnell ne Runde schwimmen zu gehen – im Adamskostüm. Frisch gewaschen kommt er grinsend zurück und erzählt, dass natürlich genau in dem Moment als er aus dem Wasser steigt dann doch jemand kam, eine französische Familie um genau zu sein, die ihn natürlich etwas entgeistert angeschaut hat. Ich bin bei sowas vielleicht ein wenig weniger mutig und erkundige mich beim Barkeeper, ob wir den Pool benutzen können. Der grinst nur, zuckt mit den Schultern und sagt, dann mach doch! Na gut, warum nicht – Süßwasserplanschen ist schon Monate her! Auf dem Rückweg zum Schiff überlegen wir noch kurz einen Zwischenstopp im Marigot Bay Marina Resort einzulegen und eine Arschbombe in den unteren Pool zu machen … weil die oberen Pools dürfen wir ja nicht benutzen … ach, herrlich hier und die einfachen Dinge sind doch oft die viel Schöneren, statt der teuer erkauften!
Bevor wir nach Martinique weiter fahren können, müssen wir dann doch noch einen Stopp in der Rodney Bay einlegen. Die große Marina, in der alljährlich die ARC-Regatta über den Atlantik endet, bietet alles was das Seglerherz begehrt. Wir brauchen vor allem dringend Wasser und noch ein paar Lebensmittel, was uns in der Marigot Bay ein kleines Vermögen gekostet hätte. Jetzt da die ARC-Yachten über alle Karibikinseln verteilt sind, ist nur wenig los. Ein paar Yachten auf der Durchreise von oder nach Martinique, Charterboote und einige Dauerlieger. Wenn die Regatta hier für 14 Tage gastiert, ist sicherlich die Hölle los und eine Willkommensfeier nach der nächsten. Jetzt aber werden die wenigen Boote nur vom gegenüberliegenden Hotelkomplex malträtiert, welcher nun schon seit drei Tagen sein 10jähriges Jubiläum mit Dauerbeschallung und Poolparty zelebriert. Mir soll es egal sein, am Abend ist der Spuk vorbei und morgen sind wir hier weg. In Martinique erwarten wir ein neues Crewmitglied – juhu! Wobei ich gerne noch ein paar Tage auf dieser traumhaften Insel gebleien wäre …
Hallo Martin und Claudi,
auch dieser Bericht ist wieder faszinierend gewesen, vor allem, weil man etwas anderes als Conona liest!. Ich frage mich immer wieder, was so mancher Möchtegern-Segler auf so ner Nobelschröter-Charteryacht macht, wenn das Großfall fest ist!? Martin, Du schreckst wirklich vor keiner „Operation am offenen Herzen! zurück, mit Claudi als Assistentin wird´s leichter. ich hätte nicht gedacht, dass sich das Üben des Abseilens mit Brusick-Schlinge, was wir früher in der Sächsischen Schweiz geübt haben, bei der Seefahrt einmal auszahlen würde. Na ja, und ich habe auch mit Euch geschwitzt, als Ihr Euch durch die Kamine des Pitons gequält habt. Eine gewisse Lust an Selbst-Kasteiung ist Euch schon eigen…. Aber „ohne Schweiß kein Preis“ in Form einer fantastischen Aussicht.
Und nun seid Ihr schon auf der übernächsten Insel Dominica, da müsste ja bald der Bericht von Marinique erscheinen, den ich sehnlicher erwarte, als die nächsteCorona-Sondersendung.
Bleibt virenfrei und erlebt weiterhin Schönes und Interessantes.
Uta
Ihr Lieben! Ich habe noch einen Nachtrag als email geschickt. Das war`s; bis auf weiteres. Freude und Erlebnisse wünschen Euch die Conradsdorfer!
Hallo ihr Weltumsegler,
in den Nachrichten kam, dass Deutsche nicht mehr anlanden dürfen. Hätte Trump verfügt. Stimmt das? Und wenn ja, seid ihr jetzt drin im Land und könnt nicht mehr raus? oder dürft ihr nicht in die Häfen? Wie soll das gehen?
In der Hoffnung, dass nichts so schlimm ist, wie es aussieht!
Liebe Grüße Katrin
Hallo Katrin!
Auch wenn Trump sich das wünscht, hat er doch glücklicherweise auf den kleinen Antillen nichts zu sagen. An uns geht somit die Corona Welle bisher ohne Einschränkungen vorbei, aber es ist doch eine gewisse Nervosität unter der einheimischen Bevölkerung zu spüren, besonders da hier in Rousseau/Domenica täglich große Kreuzfahrtschiffe mit bis zu 3.000 potentiellen Ansteckern anlegen. Aktuell hat nur Grenada seine Grenzen u.a. für Deutsche geschlossen, aber auch wir beobachten das genau und warten erstmal ab. Martin und ich sind ja relativ sicher, da wir seit mehr als 6 Monaten aus Europa aufgebrochen sind und daher aus keinem Risikogebiet kommen, ob das die Behörden z. B. auf Guadeloupe, was unser nächstes Ziel ist, genauso sehen, wird sich zeigen…
Abwarten, Rum trinken und Hände waschen.
In diesem Sinne, viel Grüße nach Deutschland
Claudia & Martin
Danke für den wunderschönen Beitrag, hat uns sehr erfreut, weiter so lg Mutti und Vati!
Auch wir freuen uns über jeden Kommentar, das an alle Nutzer.
Bleibt gesund und vorsichtig. Ihr seit ja nun schon in Martinique. Da wünschen wir Euch friedliche Vulkane. Bis dann Erika,Friedrich und die Familie Böhme!
Und wieder tolle Erlebnisse!!! Habt vielen Dank für den interessanten Bericht.
Bleibt gesund und behütet!
Liebe Grüße
Evi
Einfach herrlich was ihr da erlebt. Also Kutt und seine Zweitakter
sind wie eine Symbiose. Der beherrscht sogar mit mehreren Zweitaktkoben in den Händen Tetres zu spiel und dabei Unterschiede zu erklären.
Wir wünschen euch noch sehr viele angenehme Seemeilen und
tolle Ziele von denen ihr Berichte einstellt.
Liebe Lucianer,
von mir auch mal wieder ein herzliches Dankeschön für die tollen Filme. Die Atlantiküberquerung war ein großes Erlebnis auch als Zuschauer.
Schöne Foto(Video)Bombe ab 35:15 ????????
Macht bitte so weiter und genießt die Zeit. Ihr habt auch bereits in meinem Umfeld einige zu Fans eurer Berichte gemacht.
Ganz liebe Grüße aus Dresden
Anke