Die kleine Insel Herm und die lange Überfahrt nach Camaret-sur-Mer

Bonjour zusammen!

Wie im letzten Kurzbeitrag schon kurz angeschnitten, haben wir Gurnsey bereits nach zwei Tagen wieder verlassen. Obwohl uns der Hafen und die Insel  wirklich begeistert haben, wurden wir dann am nächsten Tag leider vom „Englischen Sommer“ begrüßt, also Regen, viel Regen, Nieselregen, weniger Regen … u.s.w. Was tut man an so einem Tag: ausschlafen, aufräumen, auf die nächsten Törns vorbereiten. In diesem Fall war der nächste Törn ein sehr kurzer, nur 5 Meilen bis zur kleinen Insel Herm östlich von Guernsey.

Ankunft in der Belvoir Bay, Herm Island

Vorab noch ein Wort zur Beaucette Marina bzw. den Liegegebühren: der idyllische und bestens ausgestattete Hafen im Steinbruch ist mit 2.90 £/m (Bootslänge) nicht unbedingt einer der günstigen – für uns allerdings schon. Ausschlaggebend dafür ist der „Trans-Europe-Marinas“ Verbund (www.transeuropemarinas.com), zu dem glücklicherweise auch unser Heimathafen in Ueckermünde gehört. In diesem Verbund sind europaweit knapp 100 Sportboothäfen bzw. Marinas organisiert. Als Gastlieger aus einem der Mitgliedshäfen bekommt man in jeder dieser Marinas für bis zu 5 Tagen 50% Rabatt auf das Liegegeld … hat sich für uns schon mehrmals bezahlt gemacht. Im Bloc-Marine (das französische Pendant zum Reeds Nautical Almanach) findet man bei jeder beschriebenen Marina auch Angaben zu den verschiedenen Marina-Verbünden wie Trans-Europe oder Passeport Escales.

 Quelle: www.transeuropemarinas.com

Nun aber zurück zu Herm! Nach einer sehr kurzen und ausnahmsweise sonnigen Überfahrt von Guernsey haben wir am späten Dienstag Nachmittag den Anker auf der Ostseite der Insel in der Belvoir Bay fallen lassen. So ganz geheuer ist uns das Ankern in Tidengewässern noch nicht, daher fiel der Anker bei Hochwasser und ca. 10 m Tiefe; 50 m Kette raus – muss reichen, mehr haben wir auch nicht! Bis zur Küste hatten wir einen recht großzügigen Sicherheitsabstand gehalten … was sich dann leider in der Nacht gerächt hat. Die Bucht bot uns zwar guten Schutz vor den vorhergesagten Westwinden, allerdings haben wir nicht mit einer derartig starken Strömung und der damit einhergehenden ruppigen Welle besonders beim Wechsel des Gezeitenstroms gerechnet. An Schlaf war nicht zu denken, wir rollen von back-auf steuerbord in der Koje hin und her. Also haben wir uns am nächsten Tag bei Niedrigwasser weiter in die Bucht verkrochen. Diesmal fiel der Anker auf 2.80m (weniger Wasser als bei Ebbe wirds nicht), 30 m Kette raus … schön, gleich viel ruhiger! Obwohl es immer noch nieslig trüb war, wollten wir die kleine fast unberührt wirkende Insel endlich erkunden. Also Dingi an Bord aufgepumpt und ab gings durch die Wellen zur Belvoir Bucht. Was soll ich sagen – traumhaft schön auch bei Regen! Ein kurzer Spaziergang Richtung Nord- und Südspitze muss für heute dennoch erstmal reichen. Wir wollen Selene nur ungern längere Zeit alleine am Anker in der Bucht vor sich hin schwoien lassen.

Herm Island, Shell-Bay

Zurück auf dem Boot stellten wir dann fest, dass die anfängliche Ruhe heute Mittag bei Niedrigwasser leider nicht von langer Dauer war. Das bischen Wind reichte nicht aus damit sich das Boot nach der Windrichtung ausrichtet. Und so wippen wir schon wieder munter in der Gezeitenströmung. Besonders bei Stauwasser dreht sich das Schiff quer zur Welle, es schaukelt, rollt, scheppert – einfach nervig! Wie oft wir uns mitlerweile um den Anker gedreht haben, weiß ich nicht … ich weiß ja nicht mal mehr wo er liegt. Was wir noch probieren können, wäre den Zweitanker zu nutzen: gesagt, getan! Martin hatte in weiser Vorraussicht noch ein 50 m Tau gekauft, eigentlich eher für den Schleppanker, aber so kommt es eben jetzt zum Einsatz. Mit dem Dingi bringt Martin den Anker aus, am Heck festgemacht – funktioniert! Bis … ja bis … in der Nacht der Gezeitenstrom wechselt! D.h. Nachts halb eins im Schlübber raus, Anker vom Heck an den Bug knüppern, ab in die Koje. Das Spiel wiederholt sich dann aller 6 Stunden!

Dementsprechend erholsam war somit auch die zweite Nacht. Aber egal, nicht lange fackeln, heute wollen wir uns die in Privatbesitz befindliche Insel mal eingehend anschauen. Bei einer Gesamtfläche von gerade mal  1.5 km² wird das eher ein kurzer Spaziergang denn eine ausgedehte Expedition. Die nette Bedinung im Strandkiosk hatte uns gestern noch den Tipp gegeben, unbedingt entlang der Küste das Eiland zu umrunden. Auf der Westseite gäbe es eine kleine „Ortschaft“ (keien 20 Häuser), einen schönen kleinen Hafen sowie einen Fähranleger, an dem 8x täglich 250 Touristen von Gurnsey auf Herm auskippt und Abends wieder abholt werden.  Außerdem findet in eben diesen Tagen ein kleines Festival statt, was wir unbedingt besuchen sollen – das Herm Harbour Beer Festival! Der Spaziergang über die Insel und entlang der Küste ist tatsächlich wunderschön, von den unzähligen Touristen sieht man nur wenig (die sind sicher alle beim „Festival“). Unberührte Natur, schroff, abweisend und lieblich zugleich,  interesannte Mischung aus Palmen, Agaven zwischen Unmengen von Gestrüp und tausende Brombeerbüsche. Es führen nur unbefestigte Wanderwege um und über die Insel, Straßen gibt es nicht auf Herm denn es gibt auch keine Autos. Fortbewegt wird sich hier ausschließlich zu Fuß oder zu Pferd. Lediglich zu Versorgungszwecken wie Belieferung der wenigen Strandkioske oder Müllabfuhr sind ein paar Quads zugelassen.

am Nordstrand über die Insel..
… zur Shells Bay
… und entlang der Westküste …
… nach Herm Harbour

In der kleinen verträumten Ortschaft Herm Harbour ist tatsächlich der Hafen das größte, vielleicht 10 – 12 Häuschen stehen rund um die Bucht, ein Pub, ein Gift-Shop und etwas abseits das White-House-Hotel welches allerdings einen sehr elitären (teuren) Eindruck macht – thats it! Der Hafen liegt gerade trocken (Niedrigwasser) und wir sehen zum ersten Mal wie eine Yacht mit Kurzkiel „trocken fällt“: auf ihrem Kiel stehend, an die Kaimauer gelehnt und nur mit einer Stütze gegen das Umfallen gesichert … wir schauen uns beide an und sind uns sicher, dass wir da nicht ruhig schlafen könnten…

Hauptstraße von Herm Harbour


Das Bierfestival in der Mermaid Tavern müssen wir uns dann doch noch nach der laaaangen Wanderung (45 min) anschauen. Verköstigt werden können bis zu 18 verschiedene Biere – englische natürlich – also null Kohlensäure. Was soll ich sagen (als Frau) – is halt Bier, nur eben bissl wie schaal. Martin nimmt die Sache schon genauer. Probiert werden 3 verschiedene Ales – das Urteil ist ähnlich: englisches Bier – keine Kohlensäure – aber es dreht gut. Wir brechen unsere Excursion in die Welt der „Ales“ dann doch recht schnell ab. Zum einen haben wir noch nix richtiges bis auf ein Sandwich gegesssen und somit wirkt das erste Pinte schon ganz gut zum anderen kommt gleich die Fähre aus St. Peter Port und bring die nächsten 250 Testteilnehmer … also schnell weg. Auf dem Rückweg über die Südspitze der Insel konnten wir dann nochmal die einmalige Schönheit von Herm bewundern – einfach unglaublich schön!

In der Abendsonne an der Westküste …
… vorbei am „Rosemarie`s step“…
… über die Südspitze
… zurück zu SELENE

Zurück auf dem Boot werden die Vorbereitungen für den nächsten Tag getroffen und nochmal das Wetter gecheckt. Sieht nach wie vor sehr gut aus um in einem Rutsch mit Ostwind nach Camaret-sur-Mer zu kommen und damit den letzten langen Schlag bis an die Biskaya zurück zu legen. Schade zwar, dass wir somit die Häfen der Bretagne komplett auslassen, aber das wichtigere Ziel ist im Moment, die gute Wetterlage auf der Biskaya zu nutzen bevor erneut anhaltende Westwinde die Überfahrt erschweren oder gar unmöglich machen.

Freitag Mittag lichten wir den Anker und nehmen die letzten 130 sm im Ärmelkanal in Angriff. Für die nächsten 3 Tage ist ein konstantes Ostwindfeld vorhergesat und wir können zum erstan Mal nach einer gefühlten Ewigkeit mit Rückenwind segel – perfekt! Knackpunkt wird eher der Gezeitenwechsel sein: für die Strecke rechnen wir schon mit gut 24 h vielleicht auch 28 h. Somit werden wir zweimal den Strom mit uns und zweimal gegen uns haben. Auf den ersten 60 – 70 Meilen läßt sich das noch ganz gut kalkulierne, ab der Île de Vierge bzw. Roches de Portsall wird`s dann jedoch interessant. In den Strömungskarten sind Tidenströme von bis zu 5.5 kn im Chenal du Four bei Springzeit angegeben – und richtig, wir haben gerade Vollmond! Wir sollten also unbedingt versuchen die ca. 20 sm im Kanal zu passieren, wenn der Gezeitenstrom in Nord-Süd-Richtung setzt…

Leuchtfeuer am Eingang zum Chenal du Four

Wir kommen die ersten Stunden sehr gut mit Rückenwind voran. Das Vorsegel haben wir ausgebaumt, denn die Dünung ist nach wie vor recht hoch wodurch uns die Genua ständig einfallen würde. Guernsey wird nach und nach immer kleiner am Horizont und wir bekommen zum ersten Mal Besuch von Delphinen – soooo schön (man hört es vielleicht ein wenig im Video 😉 ) Eine doch recht große Schule mit vielleicht 10 – 15 Tieren (die sind ja so schnell und sehen alle gleich aus) schwimmt um Selens Bug, springen aus den Wellen, schießen unter dem Schiff durch und haben anscheinend ihren Spaß, mit uns ein Stück in die gleiche Richtung zu segeln bzw. zu schwimmen. Wir hatten erst ein paar Tage vorher überlegt, ob es im Ärmelkanal Delphine gibt – und tatata, da sind sie. So schnell wie Sie da waren sind sie auch leider nach 10 Minuten schon wieder weg – schade! Am nächsten Morgen kurz nach Sonnenaufgang sind dann aber schon die Nächsten diese neugierigen Tiere da -wie schön!

Weiter gehts durch die Nacht, leider nimmt der Wind in den Morgenstunden beträchtlich ab, wir machen im Schnitt gerade noch 1.5 – 2.5 kn Fahrt. Und so kommt es wie es kommen musste, wir erreichen knapp 3 Stunden später als gehofft die Einfahrt zum Chenal du Four. Anfangs schiebt uns die Strömung zusammen mit einem lauen Lüftchen an der bretonischen Küste vorbei – wunderschön in der Morgensonne. Dann setzt der Tidenstrom langsam gegenan. Um der starken Strömung ein wenig auszuweichen zirkelt Martin  in blindem Vertrauen auf unsere Seekarten Selene so dicht es geht an der Küste zwischen unzähligen Riffen und Untiefen hindurch. Ohne Wind muss da leider der Perkins mal wieder ran. Am Pointe de St. Matthieu, Camaret ist nur noch 15 Meilen entfernt und schon fast in Sichtweite, machen wir zwar 6 kn Fahrt durchs Wasser aber nur noch 0.5 kn über Grund – noch mehr Tidenstrom und wir stehen! Das Navi-System zeig noch 22 h Fahrt an -super! Die letzten Meilen über die Rade de Brest bis Camaret ziehen sich wie Kaugummi, Gegenstrom, kein Wind, der Atlantik liegt still wie ein Ententeich – für die letzten 25 von 130 sm brauchten wir insgesamt mehr als 10 Stunden.

am Point de St. Mathieu 5.5 kn Gegenstrom
der Atlantik liegt glatt wie ein Ententeich

18.00 Uhr ist es dann geschafft und wir laufen bei stahlblauem Himmel in der Marina Vauban von Camaret-sur-Mer ein. Ein typisch bretonisches Fischerstädtchen mit weitläufigem Hafen, Ankermöglichkeiten rund um die Bucht, vielen kleine Yachten und bunten Fischerbooten, die vor den Häusern an der Promenade in der Abendsonne auf dem Wasser  dümpeln – auf den ersten Blick ein wirklich schöner Ort um sich auf die Biskayaüberfahrt in ein paar Tagen einzustellen.

… Doch von Camarett und unseren Erlebnissen während der Biskaya-Tour gibts dann mehr im nächsten Beitrag.

 

Video:

2 Antworten auf „Die kleine Insel Herm und die lange Überfahrt nach Camaret-sur-Mer“

  1. Hallo ihr beiden!
    Es macht einfach richtig Spaß, eure Beiträge zu lesen. Viele Bilder und Videos. Ein Hoch auf die moderne Kommunikation!! 🙂

    Ich wünsche euch eine pannenfreie Weiterfahrt. Bin schon auf die Biskaya-Überfahrt gespannt.

    Liebe Grüße
    Henner

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